Schlagwort-Archive: Ursula Gräfe

Ich laufe, um Leere zu erlangen. Haruki Murakami

murakami_wovon_ich_redeEin Marathonläufer bewegt sich ausdauernd, gleichmäßig  und diszipliniert. Um seine Kraft nicht zu verlieren, läuft er nie zu schnell – ohne dabei jedoch auffallend langsamer zu werden. Gleiches kann man von einem guten Schriftsteller sagen. Wie sonst kann einer mehr als 30 Jahre lang immer wieder neue Ideen für die verrücktesten Geschichten finden und Millionen Leser weltweit so konstant begeistern?! Dazu gehört doch ein extrem hohes Durchhaltevermögen. Es gehört Ausdauer dazu und Disziplin. Ein langer Atem außerdem und der Glaube an sich selbst und an sein Schreiben. So muss es wohl sein, denn so liest man es in den autobiographischen Büchern Haruki Murakamis. Doch wie kam einer wie er zum Schreiben? Wie fing das an? Weiterlesen

Werbung

Haruki Murakami. Sputnik Sweetheart

murakami_sputnik_sweetheartSo schön es ist, in eine unbekannte Geschichte einzutauchen, so aufregend kann es sein, eine bereits gelesene erneut aufzuschlagen. Es ist ja auch eine Reise in das lesende Ich meiner Vergangenheit. Sputnik Sweetheart habe ich 2002 gelesen und es war einer meiner ersten Romane von Haruki Murakami. Ein Riesenrad spielte eine zentrale Rolle und eine Liebe zwischen zwei Frauen. Mehr als diese vagen Erinnerungen habe ich nicht, doch unvergessen ist das Glücksgefühl, das ich vor 15 Jahren schon verspürte. Und es stellt sich sofort wieder ein:

Sumire besaß so wenig Möbel, dass die Wohnung kalt und leblos aussah. An den Fenstern hingen keine Vorhänge, und auf dem Boden stapelten sich Bücher, die keinen Platz in den Regalen gefunden hatten, wie intellektuelle Flüchtlinge (S. 76/77).

Genau! Das war es! Diese kleine verrückte Sumire, die ich von Anfang an so mochte, ich schließe sie sofort erneut und noch ein bisschen  heftiger in mein Herz. Freue mich so sehr über dieses „Wiedersehen“.  Weiterlesen

Hiromi Kawakami. Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß

kawakami_himmelEs muss einfach sein. Es gibt so Tage, da interessiert mich nichts Neues, da hilft nur ein Roman aus längst vergangenen Tagen, den ich ein zweites Mal lese. Ich freue mich auf die Begegnung mit den mir bekannten Figuren, bin gespannt, was ich noch erinnere und was ich neu entdecken werde …

Tsukiko ist 37 Jahre alt, als sie ihrem Japanisch-Lehrer Harutsuna Matsumoto-Sensei in einer Kneipe wiederbegegnet.
Gerade hatte sie dem Wirt ihre Bestellung zugerufen, da vernimmt sie neben sich die Stimme eines Mannes, der ebenfalls diese Gerichte bestellt – Thunfisch mit fermentierten Sojabohnen, gebratene Lotuswurzeln in süßer Sojasauce und eingelegte Perlzwiebeln. Erstaunt stellt Tsukiko fest, dass direkt neben ihr der Sensei sitzt. Er ist es tatsächlich!

Beide sind einsam, beide mögen sich. Und beide begegnen sich wie zufällig von nun an regelmäßig in diesem kleinen Laden, speisen gemeinsam, trinken warmen Sake aus kleinen Keramikflaschen und reden. Bereits nach wenigen Seiten, aber spätestens an folgender Stelle der Geschichte, weiß ich, es ist mehr als Sympathie, das beide verbindet: Der Sensei war für mich, wie soll ich sagen, wie die Buchschleife um den Schutzumschlag eines Buches, die man nicht abmachen und wegwerfen will (S. 32). Weiterlesen

Haruki Murakami. Wenn der Wind singt. Pinball 1973 – eine bekennende Harukinistin erzählt

murakami_wenn_der_wind_singtAm 15. Oktober 2010 bin ich Haruki Murakami begegnet. Es gab keine Garantie für sein Kommen. Es gab keine Garantie für sein Bleiben – nicht einmal, als er dann wirklich und real dort auf der Bühne im Admiralspalast saß. An einem schmalen Holztisch, mit Blick ins Publikum. Und jeder wusste, er würde wortlos die Bühne verlassen, sollte ein einziges Handy aufblitzen.  Bitte nicht fotografieren, mahnte ein Banner über der Bühne.

Vielleicht gerade deshalb ist dieses Ereignis in meinem Kopf minutiös aufgezeichnet. Ich musste mich nicht auf den Moment für das perfekte Foto konzentrieren. Ich war hochgradig und mit 100 % in der Gegenwart. Ganz besonders, als ich mich in die Schlange zum Signieren einreihte. Auch hier gab es Beschränkungen: keine Bierdeckel, keine Notizblöcke und auch keine Unterarme (!!) würde Murakami signieren, sondern nur ein einziges Buch: 1Q84!! Mit diesem Roman und der Taschenbuchausgabe von Wilde Schafsjagd unter dem Arm, rückte ich in der Schlange weiter vor. Stand dann vor ihm. Mutig, optimistisch und mit einem strahlenden Lächeln wedelte ich mit der Wilden Schafsjagd. Auf meine Frage „It’s possible, to take two?“, nickte Murakami großzügig. Signierte beide Bücher für mich. Dabei haben wir ein bißchen geplaudert.

Und jetzt sitze ich hier, habe diese Bilder im Kopf und lese seine beiden ersten Romane Wenn der Wind singt (1979) und Pinball 1973 (1980).
Weiterlesen

Eine unerwartete Überraschung – Herr Tazakai (2)

Völlig unerwartet ist er schon heute in der Buchhandlung angekommen:

Haruki Murakami

Haruki Murakami

Haruki Murakamis neuer Roman über den farblosen Herrn Tazaki (wieder übersetzt von Ursula Gräfe). Ich liebe den Verlag Dumont für die schnelle Lieferung und natürlich für dieses wunderschöne Buch. Verzückt halte ich den Roman in den Händen, allein das Cover ist ein Kunstobjekt. Mit diesem durchsichtigen Schmetterling. Einzigartig schön.

Jetzt sitze ich hier zu Hause mit einem Glas Rotwein und den „Pilgerjahren“ von Franz Liszt als Musikhintergrund. Ich genieße den Moment und kann einfach noch nicht anfangen mit dem Roman. Schon zum fünften Mal lese ich wie eine Süchtige die ersten Sätze. Denn ich weiss, einmal umgeblättert auf Seite 8 und ich bin verloren…..

Herr TazakiDeshalb verabschiede ich mich für die nächsten Tage und begebe mich auf meine persönlichen Pilgerjahre mit Haruki Murakami. Nur, damit Ihr versteht, was ich meine, hier die ersten Sätze von DIE PILGERJAHRE DES FARBLOSEN HERRN TAZAKI:

„Vom Juli seines zweiten Jahres an der Universität bis zum Januar des folgenden Jahres dachte Tsukuru Tazaki an nichts anderes als den Tod. Er wurde in jenem Jahr zwanzig, was jedoch keinen nennenswerten Einschnitt für ihn bedeutete, denn zu der Zeit war ihm der Gedanke, sich das Leben zu nehmen, der nächste und natürlichste. Bis heute wusster er nicht, warum er den letzten Schritt nie vollzogen hatte. Denn die Schwelle vom Leben zum Tod zu überschreiten wäre damals so leicht für ihn gewesen, wie ein rohes Ei zu schlucken.“