Schlagwort-Archive: Suhrkamp Verlag

Annie Ernaux. Die Jahre

img_4614Als Studentin träumt Annie Ernaux davon, ein ganz besonderes Buch zu schreiben. Mysteriöse Dinge würde sie darin ausdrücken und eine neue überraschende Sprache finden wollen. Lange Zeit bleibt es bei ihrem Traum. Und es braucht tatsächlich ein ganzes Leben für dieses Buch (Les Années ist 2008 in Frankreich und Die Jahre 2017 bei Suhrkamp erschienen). Ein ganzes weiteres Jahr braucht es, dass ich es lese … Weiterlesen

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Die Faye-Trilogie

Etwas Außergewöhnliches ist passiert. An einem ganz gewöhnlichen Samstagmorgen im KulturKaufhaus Dussmann hole ich den neuen Roman und somit letzten Teil der Trilogie von Rachel Cusk aus den Bücherkisten und spüre, dass diese Autorin mich regelrecht „ruft“, als würde sie sagen Lies mich!

Und weil ich diese magische innere Stimme nicht das erste Mal höre, kaufe ich In Transit, verbringe mein Wochenende mit Faye und habe das Gefühl, eine neue Freundin zu haben. Das ging mir auch so mit Joan Didions Süden und Westen oder mit Chris Kraus und ihrem Buch I love Dick.  Weiterlesen

Ralf Rothmann. Im Frühling sterben

im_frühling_sterbenManche Romane brauchen den richtigen Zeitpunkt. So kommt es, dass ich mich auf dieses bereits im Juni 2015 erschienene Buch erst jetzt einlasse. Bisher mochte ich Rothmanns Romane deshalb besonders, weil sie von der Gegenwart im Ruhrpott, in Polen oder in Berlin erzählten. Weil sie auch von der Liebe erzählten.
Ich will keine Kriegsgeschichte, dachte ich. Bis ich im Urlaub im kleinen Bücherregal des Hotels Im Frühling sterben entdeckt und die ersten Sätze gelesen habe. Ich spürte ihn sofort, diesen ganz bestimmten Erzählton, den ich so sehr schätze und der mich immer wieder zum Lesen seiner Geschichten verführt. Denn Ralf Rothmann gelingt es, ganz normalen Alltag in Literatur zu verwandeln. Seine Romane kommen mit weniger als 300 Seiten aus und erzählen kompakte tiefgreifende Geschichten. Ohne überflüssige langatmige Textpassagen und auf das Wesentliche reduziert, stimmt bei ihm jeder Satz! Weiterlesen

Die Kieferninseln von Marion Poschmann

poschmann_die_kieferninselnIch bin nie in Japan gewesen und doch voller Sehnsucht nach diesem Land, seiner Natur und seinen Menschen. Ganz selbstverständlich finde ich es deshalb (wenn auch nicht mit dem Flugzeug), so doch ab und zu im Kopf dorthin zu reisen. Wozu sonst gibt es Romane?
Und so träume ich mich mit Die Kieferninseln nach Japan. Eine erste Begegnung mit der Autorin konnte ich bereits auf dem Suhrkamp-Sommerfest genießen. Gemeinsam saßen sie und Professor Thomas Macho auf der Bühne am Wannsee, um über ihre neuen Bücher zu reden, in denen es (auch) um Selbstmord geht (Thomas Macho. Das Leben nehmen. Suizid in der Moderne. Suhrkamp 2017).
Dort hörte ich zum ersten Mal von den vielen Kultorten, die es ganz besonders in Japan gibt. Magische Orte, zu denen unzählige Menschen jedes Jahr reisen, um sich in den Tod zu stürzen. Und von denen auch Die Kieferninseln erzählt. Dieses schmale Buch – das so alles zugleich ist: Liebesgeschichte, Reiseroman und Hommage für Japan. Philosophisch, klug unterhaltend und geheimnisumwoben spannend.  Weiterlesen

Wann haben Sie das letzte Mal gleißendes Glück gespürt?

Als der Psychologieprofessor Edward E. Gluck im Roman Gleißendes Glück der verheirateten Helen Brindle diese Frage stellt, muss ich kurz innehalten. Hätte ich darauf antworten können? Wann habe ich diese Art von Glück das letzte Mal gespürt? Gleißendes Glück! Auch Helen weiß nicht sofort eine Antwort. Doch sie ist eine Suchende, genau wie ich. Sie hat das Buch von Edward E. Gluck gelesen und erste Antworten gefunden. Und genau darum lese auch ich. Immer auf der Suche nach provokanten Themen, lasse ich mich gern herausfordern und überraschen. Ein Buch muss nicht alle Erwartungen erfüllen oder eine klassisch romantische Liebesgeschichte erzählen. Drei Bücher zum Thema Liebe, Erotik und Begehren, die mich glücklich gemacht haben:

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Eine Geschichte von Einsamkeit und Stille und Liebe – Gerbrand Bakker

bakker_oben_ist_es_stillNach Hölle und Paradies möchte ich gedanklich noch ein wenig in den Niederlanden bleiben. Mit Gerbrand Bakkers Oben ist es still, erschienen in Amsterdam 2006. Ich will diesen Roman seit vielen Jahren lesen. Nie aber gab es den richtigen Moment. Stumm und vorwurfsvoll schauen die fünf Schafe auf dem Buchcover mich an, sie scheinen mich schon ewig zu rufen. Ich hatte immer Angst, der Roman sei zu trist, zu düster, und er könnte mich möglicherweise in Trübsinn stürzen. Allein das Cover – so grau und so kalt. Nichts von alldem ist diese Geschichte! Und sie hat mich ganz sicher nicht traurig gemacht. Ganz im Gegenteil. Ich habe mit Gerbrand Bakker einen Autoren entdeckt, von dem ich mehr lesen will und muss!

Auch wenn wir Mai und nicht November haben, passt die Lektüre außerdem perfekt zum Wetter: Es regnet, und der starke Wind hat die letzten Blätter von der Esche geweht. Der November ist nicht mehr eisig und windstill … Die Kühe stehen schon seit zwei Tagen im Stall. Beim Melken herrscht Unruhe (S. 11).  Weiterlesen

Elena Ferrante. Meine geniale Freundin

ferrante_meine_geniale_freundinIm Mai diesen Jahres habe ich das erste Mal von der italienischen Autorin Elena Ferrante gehört, deren Romane in deutscher Übersetzung vor einigen Jahren in den Verlagen List und DVA erschienen sind. Irgendwie hatte ich mich bisher weder für die Autorin noch für ihre Romane interessiert. Das änderte sich, als ich von dem Buch Meine geniale Freundin hörte – einem weltweit vielbeachteten Roman, der nun (von Karin Krieger ins Deutsche übersetzt) im Suhrkamp Verlag erschienen ist.

Ich denke zurück an jenen 22. Mai 2016 und an das Bloggertreffen im Haus des Verlages. Hier gibt es bereits erste Informationen zum Buch und zur Autorin (deren Wunsch, anonym zu bleiben ihr italienischer Verlag seit 1992 akzeptiert). Große Begeisterung für das Buch und seine Autorin von allen Suhrkamp-Mitarbeitern. Verhaltene Neugier bei uns Bloggern (nachzulesen bei Jochen von lustauflesen.de). Für jeden von uns gibt es als Überraschung noch ein Leseexemplar des Romans und so ist der Monat Mai für mich Ferrante-Monat. Die ganz große Begeisterung stellt sich bei mir nicht ein, doch beschäftigt mich die Geschichte um Elena und Lila bis zum heutigen Tag.

In diesem ersten Teil ihrer vierbändigen Saga erzählt Ferrante in ausdrucksstarken Bildern die Geschichte zweier fleißiger kleiner Schulmädchen, deren Weg von Anfang an klar zu sein scheint. Und der sich ganz allmählich und schließlich für immer verändert.  Weiterlesen

Milena Busquets. Auch das wird vergehen.

busquets_auch_das_wird_vergehenEine alte Weisheit von Blancas Mama ist, dass Schmerz und Kummer vergehen werden, so wie die Begeisterung und das Glück. Die Mama ist tot, doch so schnell vergehen weder Kummer noch Schmerz. Für Blanca beginnt eine schwere Zeit des Abschiednehmens und der Erinnerungen. Doch wo andere Menschen der eigenen Trauer begegnen, indem sie wild anfangen zu lesen oder Musik zu machen, stürzt Blanca sich in das pure Leben. Sie ist eine junge, wilde und sehr schöne Frau. Sie lebt und liebt, wie es ihr gefällt. Sie lebt selbstbestimmt und ist extrem selbstbewusst.

Im Sommer treffen sich alle Freunde und Freundinnen, auch die Väter ihrer beiden Söhne, im Ferienhaus in Cadaqués – einem malerischen Ort in Katalonien, direkt am Meer. Die Tage vergehen mit Bootsfahrten, mit Wein, Essen und gutem Sex. Mit Lachen und mit Streit. Auch mit der allgegenwärtigen Erinnerung an Blancas Mama, die noch immer sehr präsent ist. Die Geschichte ist deshalb aber keine traurige. Sie ist wild schäumend, glitzernd, flirrend, knisternd. Und sprühend vor Intelligenz! Wie ein Sommertag am salzigen Meer. Weiterlesen

Amos Oz. Judas

amos_oz_judasWinter 1959/60. Ein Haus in der Rav-Albas-Gasse in Jerusalem. Ich bin weit weg und tauche erst nach 332 Seiten Lektüre wieder auf. Zurück in der realen Welt. Zurück in Berlin. Wieder da und doch nicht hier. Denn „Judas“ ist kein Roman, den man zuschlägt und vergisst. Ich rede, atme, lache und leide weiter mit den Figuren von Amos Oz. Sein perfekter kleiner Kosmos ist mir so nah geworden in den Tagen des Lesens. Wie in einem kleinen Kammerstück spielt sich hier fast alles ab. In jenem Haus in der Rav-Albas-Gasse …

… wieder höre ich Dielen knarren, sehe die kleine Küche. Ich sehe den Studenten Schmuel Asch, wie er aus seiner Dachkammer herabsteigt, den Bart frisch gepudert. Mit seinen wild gewachsenen Locken unter der Schapka und im ewigen Dufflecoat, schmiert er sich sein tägliches Marmeladenbrot. Ich bewundere die 45jährige Witwe Atalja Abrabanel. Unnahbar und wunderschön mit ihren braunen Augen und dem sinnlichen Glitzern darin. Sie behauptet von sich selbst, kein Herz zu haben. Nimmt sich einfach, was sie braucht.  Weiterlesen

Siegfried Unseld und Truman Capote – zwei große Männer feiern 90 Jahre

unseld, siegfriecapote, grasharfecapote, trumanSelten sind  Zufälle so außergewöhnlich und schön wie dieser: Zwei große Männer der Literatur – die unterschiedlicher kaum sein könnten – sind fast zeitgleich vor 90 Jahren geboren! Am 28. September der Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld und am heutigen 30. September der Autor Truman Capote. Ein großer Mann der Verlagswelt und der Autor so berühmter Bücher, wie „Frühstück bei Tiffany“ und „Kaltblütig“.

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