Schlagwort-Archive: Libanon

Pierre Jarawan. Ein Lied für die Vermissten

jarawanEine Lesung mit Pierre Jarawan ist ein echtes Event, das man keinesfalls verpassen sollte. 2016 war ich zu der Präsentation seines Debüts “Am Ende bleiben die Zedern” in der Buchhandlung ocelot. Parallel zu seinen Geschichten über den Roman, über Beirut und den Libanon zeigte er eine spektakuläre Diashow. Schnell wurde klar – der Libanon ist ein aufregendes schönes Land voller Gegensätze. Da es so klein ist, kann man morgens in den Bergen Skilaufen und abends am Strand liegen und aufs Meer schauen!
Seitdem sind vier Jahre vergangen. Momentan finden keine Lesungen statt, ich habe aber Pierre Jarawan ein paar Fragen geschickt. Zuerst wollte ich wissen, ob ein Besuch des Libanon weiterhin lohne.
Ja, das würde es unbedingt, hatte er mir vor ein paar Tagen geantwortet. Auch wenn es aktuell natürlich schwierig sei – aber das Land ließe sich sehr leicht bereisen und hätte von Nachtleben bis Kultur und Natur viel Umwerfendes zu bieten. Weiterlesen

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Rabih Alameddine. Eine überflüssige Frau

alameddine_eine_überflüssige_frauBleibt von jedem gelesenen Roman vielleicht einfach nur ein Bild im Kopf, eine einzelne Szene? Was beispielsweise wird dem Leser dieser Lektüre geblieben sein? Fragen, die sich die etwa 70-jährige Aaliya auf Seite 200 stellt.
Nachdenklich schlage ich das Buch zu und weiß es sofort. Ich werde immer an ein kleines Zimmer in Beirut denken. Vor dem Fenster flackert eine Straßenlaterne (je nach Stromversorgung stark oder schwach). Ich werde den marineblauen Chenille-Sessel sehen, den Gebetsteppich mit dem nach Mekka zeigenden Kompass als Bettvorleger und Kisten voll mit handschriftlichen Übersetzungen der Romane von Tolstoi, Pessoa, Kundera und Nabokov ins Arabische. Aaliyas Wohnung ist mir während des Lesens so vertraut geworden, dass ich für eine Verfilmung das perfekte Setting herrichten könnte. Ach, ja! Inclusive des verstaubten Spiegels. Denn so blitzblank die Wohnung, so halbblind ist der Spiegel. Aaliya ist in einem Alter, da sie sich selbst nicht mehr anschauen mag.

Ihre Leidenschaft ist das Lesen. Überall in ihrer Wohnung stehen Büchertürme herum. Begleitet vom Duft des Jasmins spazieren wir mit ihr durch die Weltliteratur und träumen uns weit weg aus dem Libanon: Meine Bücher verraten mir, wie das Leben in einem zuverlässigen Land ist … Im Vergleich mit dem Mittleren Osten ist die Welt von Burroughs und Garcia Marquez viel vorhersehbarer. Dickens‘ Londoner sind vertrauenswürdiger als die Libanesen (S. 84/85). Weiterlesen

Pierre Jarawan. Am Ende bleiben die Zedern

jarawan_am_ende_bleibe_die_zedernDie Zeder ist das Symbol der Flagge des Libanon. Die Zeder mit ihrem Duft ist es auch, die diese Geschichte begleitet. Wenn der Vater Brahim seinem Sohn Samir Geschichten aus der Heimat erzählt, dann ist immer auch die Libanon-Zeder darin verwoben. Aufgewachsen ist Samir in Deutschland. Als sein Vater spurlos und für immer verschwindet, ist der Junge gerade acht Jahre alt. Eigentlich war es ein ganz normaler Abend und wie immer erzählt Brahim seinem Sohn eine Gute-Nacht-Geschichte, küsst den ahnungslosen Samir auf die Stirn.

Es war der letzte Kuss, den er für mich hatte. Eine große Zufriedenheit überkam mich. Wie warme Daunen legte sie sich auf mich und hüllte mich ein. Dann fuhr er mir durchs Haar. Es war das letzte Mal, dass er es tat … Hätte ich damals gewusst, dass dies die letzten Sekunden waren, die mir mit meinem Vater blieben, ich hätte mir mehr Mühe gegeben. Ich hätte versucht, ihn länger anzuschauen … Aber ich war zu müde. Und so war das Letzte, was ich von meinem Vater sah, seine Silhouette im Türrahmen und wie er liebevoll – zumindest glaube ich das heute – zu mir herüberblickte (S. 98/99).  Weiterlesen