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Zwischen Verrücktheit und Wahnsinn – Lisa Halliday und ihr Roman Asymmetrie

img_4058Oft entscheide ich nach einem kurzen Blick auf den Anfang eines Romans – will ich das sofort lesen oder versuche ich es später erneut. Bei Lisa Halliday war klar: Lesen! Jetzt! Allein das coole Cover mit der zersplitterten Ansicht von New York fasziniert mich. Schließlich packt die Geschichte um die 25-jährige New Yorker Lektorin Alice und den viel älteren Autor Ezra Blazer mich mit den ersten Sätzen:

Alice wurde es langsam leid, so allein herumzusitzen und nichts zu tun zu haben: Immer wieder mal warf sie einen Blick in das Buch auf ihrem Schoß, doch es waren fast nur lange Absätze und keinerlei Anführungszeichen darin, und was lässt sich schon mit einem Buch anfangen, dachte Alice, in dem es keine Anführungszeichen gibt?
Daher überlegte sie gerade (so gut es eben ging, denn es war nicht ihre Stärke, Dinge zu Ende zu bringen), ob sie wohl eines Tages selbst ein Buch schreiben sollte … (Seite 11).

Ihre Gedanken werden unterbrochen, als ein Mann mit Eiswaffel auf sie zu tritt und ein Gespräch mit Alice beginnt. Es ist der bekannte amerikanische Autor Ezra Blazer. Er ist 72 Jahre alt. Weiterlesen

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Abbas Khider. Ohrfeige

khider_ohrfeige_hanserWas unterscheidet einen braven Bürger im bayerischen Niederhofen von einem guten und sehr leckeren (Ham)Burger? Ganz einfach: der Umlaut! Deutscher Buerger mit Umlaut. Burger King ohne Umlaut …
Diese nüchterne und einfache Erklärung erteilt ein bayerischer Beamter Karim und Rafid auf ihre Nachfrage, was ein Bürger sei. Als sie den Unterschied begreifen, lacht Rafid sich darüber fast zu Tode.
Dabei ist wirklich wenig lustig im Leben der Beiden. Dem Ich-Erzähler Karim Mensey gelingt aber ein humorvoller Blick auf jede noch so ausweglose Situation. Der Roman „Ohrfeige“ ist so skurril und absonderlich wie das Leben seiner Figuren. Manchmal urkomisch und dann plötzlich tieftraurig. Der Phantasie und der unendlichen Hoffnung seiner Erzählers Karim verdanke ich, die harte Realität seines Alltags auszuhalten. Karim versteht es ja selbst manchmal nicht mehr … Dort fiel eine Bombe, hier wurde Wodka getrunken. Dort starb ein Mensch … hier hatte ich einen Orgasmus. Es war skurril. Alles fand gleichzeitig statt (S. 197)  Weiterlesen

Abbas Khider. Die Orangen des Präsidenten

khider_orangen_btbIn wenigen Tagen erscheint bei Hanser Literaturverlage der neue Roman „Ohrfeige“ von Abbas Khider. Ich sehe das als einen Anlass, nochmal inne zu halten und mich zu erinnern, was damals das Buch „Die Orangen des Präsidenten“ mit mir gemacht hatte …
In meinem Notizbuch von 2011 finde ich einleitend die Worte von Denis Scheck, der in seiner Sendung „Druckfrisch“ den Roman ein paradiesisches Buch, das direkt in die Hölle führt nannte. Besser kann man es kaum sagen. Dieser Roman mit seinen 160 Seiten – an welchem Abbas Khider drei Jahre lang geschrieben hat –  vereint Glück und Unglück, Schönheit und Grausamkeit auf einzigartige Weise. Er wollte seine Leser unbedingt auch unterhalten mit seiner Geschichte, wollte nicht nur schockieren. Er wollte von der Schönheit seiner Heimat erzählen und gleichzeitig auch von Saddam, von Folter und von Haft. Das ist ihm auf ganz besondere Weise und auf höchstem literarischen Niveau gelungen. Ich erinnere mich, wie fasziniert und beeindruckt ich war, als ich vor fünf Jahren umsonst nach einem arabischen Übersetzer im Impressum suchte – Khider hat diesen Roman (wie alle anderen Romane auch) auf Deutsch geschrieben. Weiterlesen