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Freundschaft bedeutete, sich geehrt zu fühlen …

yanagihara_portrat… dass man einen anderen in seiner größten Verzweiflung auffangen durfte, und zu wissen, dass man selbst in seiner Gegenwart verzweifelt sein durfte (Seite 303).

Yanagiharas Roman ist ja ein ganz großes Buch über Freundschaft, ein Buch über das man mit guten Freunden reden will (und sollte). Ich möchte Euch daher an dieser Stelle ein Gespräch mit zwei befreundeten Buchhändlerinnen empfehlen. Maria von der Buchhandlung ocelot, die Klappentexterin und ich spürten, ohne dieses gemeinsame Reden funktioniert Yanagiharas Roman einfach nicht.  Hat das Lesen des Buches uns 100 % glücklich gemacht? Ist es eine Story mit Hoffnung auf ein Happy End? Wieviel Schmerz darf eine Autorin ihren Lesern zumuten? Wir  waren uns nicht immer einig. Ganz besonders, als es um den Schmerz und die Düsternis in der Story ging. Maria sagt in dem Gespräch sogar, ich habe das Buch einmal entsetzt gegen die Wand gepfeffert, ich glaube, es löst in vielen Leuten was Tiefes aus. Stimmt schon – manchmal war auch ich verzweifelt, brauchte ein Glas Wein oder einen langen Spaziergang, um Judes Geschichte weiter lesen zu können.

Einig waren wir uns allerdings darin – es ist ein ganz großes Buch, möglicherweise DAS Buch des Jahres. Und ganz sicher ein Buch, über das alle sprechen wollen, die es lesen. Nachzulesen im Literarischen Talk. Weiterlesen

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Nickolas Butler, Shotgun Lovesongs. Aus dem Englischen von Dorothee Merkel

9783608980080In einem kleinen Ort im Nordwesten von Wisconsin sind sie geboren und aufgewachsen: Henry, Beth, Ronny, Lee und Kip. Anfangs ist nicht klar, in welcher Zeit man sich eigentlich befindet. Sind es die 60er oder die 80er Jahre? Dann wird im Verlauf der Geschichte eine SMS verschickt, ein iPhone erwähnt. Jetzt-Zeit also! Doch Butler beschreibt dieses Wisconsin mit seinen Farmern, dem trockenen Sommerduft und dem sternenübersäten Nachthimmel ganz zeitlos, so als seien Jahrzehnte gar nicht vergangen. Und für die Leute, die nie weg gehen, verändert sich ja auch nicht viel. Beth und Henry sind dort geblieben, haben geheiratet. Auch Ronny Taylor, Ex-Rodeo-Reiter und trockener Alkoholiker, hat Little Wings nie wirklich verlassen.

Kapitel für Kapitel erzählt einer der Fünf die Story, so dass sich insgesamt dieser außergewöhnliche Roman zusammen fügt. Was mir gleich zu Beginn sehr gefiel, das ist Butlers Erzählton. Und so habe ich endlich wieder ein Buch gefunden, dass mich so richtig reinzieht in die Story! Und das bereits mit dem ersten Satz, wenn Henry über Lee sagt:

„Wir alle luden ihn zu unseren Hochzeiten ein. Er war berühmt. Die Einladungen schickten wir an das Hochhaus seiner Plattenfirma in New York, damit man dort die festlichen, mit Goldrand versehenen Umschläge an ihn weiterleiten konnte, während er irgendwo auf Tour war – in Beirut, Helsinki, Tokio. Orte, die über unseren Horizont oder unsere begrenzten finanziellen Mittel wei hinausgingen.“

Während Lee als international gefeierter Rockstar durch die Welt reist, bestehen die Highlights der drei Freunde in Little Wings aus Hochzeiten und Scheidungen. Weshalb es immer ein ganz großes Ereignis ist, wenn er, der berühmte Sänger von „Shotgun Lovesongs“, für einige Zeit nach Hause zurückkehrt:

„Monate vergingen, bis wir ihn wieder zu Gesicht bekamen. Dann kam er heim, bärtig, abgehärmt und mit müden Augen, aber irgendwie auch glücklich und erleichtert. Wir konnten erkennen, dass er froh war, uns zu sehen und wieder zurück in unserer Mitte zu sein.“ (S.9)

Denn das ist das Besondere an Lee – er hat nie vergessen, wo er herkommt. Seine Freundschaften sind ihm heilig, hier bei Henry, Ronny und Kip scheint er Kraft zu schöpfen, bevor er wieder hinaus geht in die Welt des Shwobusiness, der Paparazzis und all dem Stress. Doch dann geschehen Dinge, die die gewohnte Ruhe gewaltig ins Schleudern bringen. Geheimnisse sind plötzlich nicht mehr heilig. Am Ende wird sich zeigen, wie tief und echt die Freundschaft (besonders von Henry und Lee) wirklich ist.

Sehr berührt hat mich der innere Kampf von Ronny, der so gern wieder mal ein richtiges Bier trinken will. Und weiß, dass er es nicht darf (auch seine Freunde sind wie ein schützender Wall). Ronny ist hier in Little Wings ein echter Outsider, er bewundert Lee grenzenlos und will eigentlich ausbrechen aus dieser Welt.

„Shotgun Lovesongs“ ist ein ganz leiser aber sehr intensiver Roman. Manchmal passiert ewig nichts, dann wieder überschlagen die Ereignisse sich. So liest man einige Passagen mit angespannter Geduld (passiert noch was?), dann ist man wieder ganz atemlos. Und am Ende kann man die fünf Freunde gar nicht so richtig loslassen, sie begleiten einen noch eine zeitlang –