In seinem Haus in Kameoka sitzt Ende Februar 1922 in einem Rattansessel Dr. Shimamura, Professor emeritus für Nervenheilkunde in Kyoto. Sein Fieber steigt, denn Shimamura leidet an Schwindsucht. Ihm ist kalt, weshalb er über seinem Kimono einen verschlissenen Morgenrock aus Deutschland trägt. Weil sich die Ärmel des seidigen Kimonos ständig verknautschen und um seine mageren Arme herum verdrehen, will er seit Ewigkeiten den Kimono über statt unter dem Morgenrock tragen, tut es aber nie. Eigentlich hasst er diesen Morgenrock, den er vor etwa 40 Jahren in einem eleganten Modegeschäft am Pariser Platz in Berlin erstanden hat. Shimamura ist mir sofort sympathisch. Wie er dort, umsorgt von vier Frauen, in seinem kleinen Haus sitzt und auf das vergilbte Fensterpapier schaut, welches in der Farbe seinem Morgenmantel ähnelt. Seine Gedanken gehen zurück nach Wien, wo er als Eingebildeter Kranker zu einem Kostümfest eben jenen Morgenmantel trug, nebst einer Schlafmütze und einem aus der Irrenanstalt entliehenem Gerät. Viele junge Mädchen waren auf jenem Karneval. Aber … wer hatte ihn damals eingeladen? Daran erinnert er sich nicht. Weiterlesen
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Als ich dieses Cover sah, hatte ich sofort eine hohe Erwartung an das Buch und seinen Autor. Verbunden mit der Gewissheit, dass japanische Autor*innen mich wirklich selten enttäuscht haben, begann ich zu lesen. Der Einstieg war zunächst verwirrend, doch ganz schnell war klar, dass der Roman eine ganz starke Sogwirkung hat. Denn was Keiichirō Hirano hier erzählt, ist nicht nur thematisch außergewöhnlich, sondern extrem spannend. Ausserdem wundervoll melancholisch und mit ganz feinem Gespür für seine Figuren.Würde ich einem ganzen Jahr auf einer Segelyacht mit Ehemann und zwei Kindern zustimmen? Bei aller Romantik eines solchen Abenteuers - ich hätte sofort mehrere Einwände ...Man sollte sich Zeit nehmen für diesen prallen Roman, der auf ganz eigene Weise den Charme der italienischen Südküste mit der sperrig-spröden Landschaft Osteuropas (Slowenien und Jugoslawien) verbindet. Ich musste wegen der opulenten Fülle und der erzählerischen Intensität irgendwie an Nino Haratischwilis "Das achte Leben" denken.Abonnierte Blogs
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