Winter 1959/60. Ein Haus in der Rav-Albas-Gasse in Jerusalem. Ich bin weit weg und tauche erst nach 332 Seiten Lektüre wieder auf. Zurück in der realen Welt. Zurück in Berlin. Wieder da und doch nicht hier. Denn „Judas“ ist kein Roman, den man zuschlägt und vergisst. Ich rede, atme, lache und leide weiter mit den Figuren von Amos Oz. Sein perfekter kleiner Kosmos ist mir so nah geworden in den Tagen des Lesens. Wie in einem kleinen Kammerstück spielt sich hier fast alles ab. In jenem Haus in der Rav-Albas-Gasse …
… wieder höre ich Dielen knarren, sehe die kleine Küche. Ich sehe den Studenten Schmuel Asch, wie er aus seiner Dachkammer herabsteigt, den Bart frisch gepudert. Mit seinen wild gewachsenen Locken unter der Schapka und im ewigen Dufflecoat, schmiert er sich sein tägliches Marmeladenbrot. Ich bewundere die 45jährige Witwe Atalja Abrabanel. Unnahbar und wunderschön mit ihren braunen Augen und dem sinnlichen Glitzern darin. Sie behauptet von sich selbst, kein Herz zu haben. Nimmt sich einfach, was sie braucht. Weiterlesen