Alan Bennett. Die Souveräne Leserin

bennett, Souveräne LeserinMit einem ganz besonderen Glücksgefühl nehme ich immer wieder mal diesen schmalen roten Leinenband aus dem Wagenbach Verlag in die Hand. Alan Bennett erzählt darin die fiktive (!) Geschichte der Queen of England und ihre Entdeckung der schönen Literatur. Auf britisch-humorige Art beschriebt er, wie das Lesen von Büchern einen Menschen verändern kann.

In ihrem bisherigen Leben hat die Queen sich für Bücher überhaupt nicht interessiert. Im Gegenteil: Als Mensch der Tat war für Seine Majestät das Lesen gleichbedeutend mit Nichtstun. Diese Sichtweise brachte ihr Beruf so mit sich, ein Beruf, in dem verlangt wird, Interesse zu zeigen, nicht aber Interessen (wie Schach, Joggen, Modellflugzeuge oder Bücher) zu haben.

Das ändert sich schlagartig, als die Queen bei einem Spaziergang auf den mobilen Bücherbus der Bibliothek City of Westminster stößt. Sie leiht ein Buch und … beginnt zu lesen. Schnell folgt auf den ersten der nächste Roman. Sie liest ohne System und manchmal auch mehrere Bücher gleichzeitig. Egal, ob Sylvia Plath, Ian McEwan, Virginia Woolf oder Alice Munro.

Manchmal führt auch ein Buch direkt zum nächsten. Wenn beispielsweise der Autor Ackerley in seiner Biografie E.M. Forster erwähnt, dann MUSS sie unbedingt Forster lesen! So öffnen sich unbegrenzte Türen. Die Queen bekommt schließlich ein Zeitproblem, welches sie jedoch geschickt zu lösen weiß. Sie entdeckt beispielsweise, dass man gleichzeitig in der Kutsche fahren, dabei winken und unauffällig einen Roman lesen kann!

Während die Regierungsbeamten nervös werden, bleibt die Queen gelassen. Geschult durch die schöne Literatur, entdeckt sie neuerdings sogar einen Sensor für menschliche Gefühle in sich. Und hätte sie früher einen schmollenden Diener noch in den Tower geworfen, versucht sie heute, seine Lage zu verstehen. Auch ihre eigene Situation als Königliche Hoheit scheint ihr mehr und mehr bewusst zu werden.

Queen 2Und so still und leise, wie die Wandlung der Queen durch das Lesen beginnt, so abrupt und überraschend ist dann das Ende dieses kleinen amüsant-klugen Romans. Für ein paar Stunden schenkt Alan Bennett  mir damit köstliche und niveauvolle Unterhaltung. Und die Gewissheit, dass das Lesen von Büchern eine der schönsten und verrücktesten Leidenschaften der Welt ist. Ungefähr genauso verrückt, wie diese kleine winkende Queen unterm britisch geschmückten Weihnachtsbaum.

Mit einem fröhlichen Winken verabschiede auch ich mich. Genießt ruhige und freundliche Weihnachtstage mit den Menschen um Euch herum, die Ihr liebt und mit denen Ihr diese besondere Zeit teilen möchtet. Solltet Ihr es schöner finden, allein zu sein, dann macht es Euch gemütlich in der Stille dieser Tage. Bei Kerzenlicht und … mit einem richtig guten Roman!

Alan Bennett. Die souveräne Leserin. Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Verlag Klaus Wagenbach. Berlin 2008. 120 Seiten. 14,90 €

11 Antworten zu “Alan Bennett. Die Souveräne Leserin

  1. Liebe Masuko,
    auch ich habe „Die souveräne Leserin“ sehr gerne gelesen und es gibt mir Gelegenheit sie in der Weihnachtszeit nochmals zur Hand zu nehmen.
    Ich wünsche Dir ein wunderschönes Weihnachtsfest mit vielen angenehmen Lesestunden und freue mich schon sehr auf Deine Buchempfehlungen im neuen Jahr!
    LG
    lesesilly

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    • Liebe leselilly,
      oh, ich finde das klingt, als wäre es auch eines deiner Herzensbücher?! Wie schön.
      Und vielen Dank für deine Worte, sie motivieren mich unglaublich!
      Auch dir schöne Weihnachten

      Masuko

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  2. Liebe Masuko,
    an Alan Bennetts „Souveräne Leserin“ lasse ich mich aus vielen Gründen gerne erinnern: erstens, weil es eine ganz tolle Lektüre gewesen ist, „britisch-humorig“ hast Du sie so schön beschrieben. Meine Lieblingsszene ist ja die, als bei der Kanada-Reise der Bücherkoffer nicht ankommt und die Queen wirklich nicht amused ist. Das kann ich sehr gut nachempfinden, dasgeht mir genauso. Zweitens habe ich zu diesem Roman meine erste Besprechung geschrieben, die mir so viel Spaß gemacht hat, dass ich dann auch beim Schreiben geblieben bin. Und so kam es dann irgendwann folgerichtig zu dem Blog. Da hast Du mir also mit der Erinnerung an die souveräne Leserin ganz viel Freude gemacht.
    Viele Grüße und eine wunderbare Weihnachtszeit, Claudia

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    • Liebe Claudia,
      habe eben mal deine Rezension gelesen, die es ja auch genau auf den Punkt trifft!
      Genießen wir also schöne Weihnachten mit unseren Büchern! Und mit unserer großen Leidenschaft fürs Bloggen, fürs Lesen und für Ihre Majestät, die Queen 😉
      Alles Liebe
      Masuko

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  3. Ein ganz tolles Buch – hat mir sehr gut gefallen und ich habe die gleiche Winke-Queen im Bücherregal stehen 🙂

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  4. Liebe Masuko, was für eine Freude diese Rezension von dir zu lesen. Ich liebe England, die Queen und so vieles mehr daran, wie du weißt. Ich bin nun zum Bücherregal gelaufen und habe das Buch heraus geholt. Eines meiner absoluten Lieblingsbücher. Ich lese es gern, wenn ich aus England zurück bin und die ersten Tage dann noch mit Fernweh untermalt sind. Dieses Buch gibt es auch noch in Königsblau. Die winkende Queen habe ich auch. Nicht nur in tollem blau. Guter Kitsch, wie ich finde. Sogar ein britischer Weihnachtsbaum wunderbar. Es fehlen wirklich noch karierte Schleifen an meinem, aber er ist weiß und blau-rot dekoriert. Ich muss so schmunzeln. Herzlich, danke ich dir sehr dafür. Deine Rezensionen waren in diesem Jahr eine grandiose Bereicherung. Hast du auch von Alan Bennett andere Storys gelesen?

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  5. asheepishwonderland

    Das ist ein ganz süßes Buch, ich liebe Bücher über das Lesen 🙂 Bücher können die Welt verändern, daran glaube ich ganz fest 🙂

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