„Kwaku stirbt barfuß, an einem Sonntag vor Sonnenaufgang, seine Hausschuhe kauern an der Tür zum Schlafzimmer, wie Hunde. Jetzt steht er auf der Schwelle zwischen Glasveranda und Garten und überlegt, ob er zurück soll, seine Pantoffeln zu holen. Er holt sie nicht. Seine zweite Frau, Ama, schläft dort im Schlafzimmer, die Lippen leicht geöffnet, mit gerunzelter Stirn …“
Eine Geschichte, die so beginnt, muss man einfach weiterlesen. Sofort tauchen Fragen auf in meinem Kopf. Warum stirbt Kwaku? Wer ist Kwaku überhaupt? Warum eine zweite Frau? Was ist mit der „ersten“?
Selasi, eine junge Autorin mit Wurzeln in Ghana, erzählt diese große Story auf ganz außergewöhnliche Weise. Sie nimmt den Tod Kwakus dort im tauglitzernden Garten in Accra als Ausgangspunkt und Zentrum der Geschichte. Von hier aus schwenkt sie wie mit dem Auge einer Kamera vor und zurück. Wir springen von Accra in die USA. Dort erfährt gerade Olu, der älteste Sohn, vom Tod des Vaters. Auch er ein angesehener Chirurg, kann er nicht glauben, was er hört: Kwaku ist gerade 57 Jahre alt und ein außergewöhnlicher Chirurg! Ein gewöhnlicher Tod durch einen ganz normalen Herzinfarkt? Nein, Olu will das nicht akzeptieren.
Die ganze Familie kehrt schließlich zur Beerdigung nach Ghana zurück. Eher aus Pflichtgefühl, denn aus wahrer Liebe. Kwaku hatte die Familie vor Jahren verlassen. Fola, seine erste Frau, bleibt allein mit den vier Kindern Olu, Kehinde, Taiwoo und Idowu. Gebrochene Herzen. Versteinerter Schmerz. Anfangs habe ich Kwaku dafür verachtet. Wie kann er das tun? Doch Selasi fährt mit ihrer Kamera auch an diesen wunden Punkt der Geschichte. Plötzlich ist da …. Verständnis. Wie auch Adichie in ihrem Roman Americanah erzählt Selasi vom Rassismus in den USA. Ein angesehener Arzt muss, weil er schwarz ist, immer noch fehlerfreier und noch akkurater arbeiten als jeder weiße Arzt.
In seinem ständigen Bemühen, allem und jedem gerecht zu werden, scheitert Kwaku schließlich nicht nur als Chirurg, sondern auch als Familienvater und Ehemann. Hinter ihm liegt ein Leben voller Ehrgeiz und Zweifel, als er in Ghana der Krankenschwester Ama begegnet. Ama ist eine einfach glückliche Frau. Sie ewartet nichts von Kwaku, ist anschmiegsam und loyal. Endlich hat er das Gefühl, zu genügen. Ein Gefühl, das ihm seine Familie nicht geben konnte.
So viel Unausgesprochenes! So viele Traumata. Erst nach seinem Tod können alle wieder miteinander reden. Erst dann finden Fola und ihre erwachsenen Kinder die Worte für Versöhnung und Vergebung. Kwakus Tod löst alle Knoten. Ein befreiendes Ende mit afrikanischen Rhythmen und diversen Überraschungen. Lange wird mich diese zauberhafte Familie noch in meinen Gedanken begleiten. Allen voran die energische Fola mit ihrem wunderschönen Afro.
Vor wenigen Tagen im Taschenbuch erschienen, lege ich diesen wilden und sehr farbenprächtigen Roman jedem ans Herz, der sich für Themen interessiert, wie Leben zwischen den Kulturen, Familie sowie das Glück von Verzeihen und Vergessen.
Taiye Selasi. Diese Dinge geschehen nicht einfach so. Aus dem Englischen von Adelheid Zöfel. Verlag S. Fischer 2014. 400 Seiten. 10,99 €
Liebe Masuko,
um dieses Buch schleiche ich auch schon lange herum. Es erinnert mich doch sehr an „Americanah“, von dem ich total begeistert war. Nach Deiner tollen Rezension bin ich nun davon überzeugt, dass es das richtige für mich ist.
LG
lesesilly
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Ja, es ist wirklich ein ganz wundervoller Roman und es gibt Ähnlichkeiten mit „Americanah“. Dennoch ist die Geschichte eine ganz andere. Selasi fügt das alles zusammen wie einen bunten Flickenteppich, welcher erst am Ende ein großes Bild ergibt. Es wird dir sicher gefallen.
Schöne Grüße, Masuko
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Liebe Masuko,
vielen Dank für das tolle Leseerlebnis, welches ich dank Deines Tipps hatte. Dieses Buch habe ich regelrecht verschlungen und festgestellt, dass mir die Geschichten von afrikanischen Autoren sehr gut gefallen. Wollen wir hoffen, dass noch mehr solche tollen Bücher und Autoren erscheinen.
LG
lesesilly
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Liebe Leselilly,
du liest wirklich schnell! Und schön, dass du es auch so verschlungen hast….
Sicher wird es noch viele solcher großartiger Romane aus Afrika geben. Adichie, Selasi, … wir dürfen gespannt sein, wer sich als nächstes neben diese zwei großartigen Autorinnen stellt.
Ich bin sehr optimistisch, und glaube, es ist erst der Anfang…
Schöne Grüße, Masuko
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