„Wir Menschen sind sensibler, als die meisten von uns ahnen. Hätten wir keinen Filter im Hirn, die Flut der Sinneseindrücke würde uns überwältigen. Man kann diesen Filter ausschalten. Ich kann es.“
Der so denkt, streift nachts durch die Straßen der Großstadt, als bewege er sich durch einen „ungeheuren, lebendigen Organismus“. Er ist auf dem Pfad des Kriegers und er hat Geduld. Im richtigen Moment erreicht er den Abgang einer Metro-Station. Schmerz flammt heraus wie ein Fanal. Todesangst. Er wird im entscheidenden Moment erscheinen, das Richtige tun. Jetzt!
Erich Sassbeck wartet auf seine U-Bahn. In seinem Kopf geistert noch die Diskussion mit seiner Tochter über Zivilcourage herum, als er sieht, wie zwei Jugendliche eine Bank demolieren. Sassbeck will endlich mal Zivilcourage zeigen, es seiner Tochter Evelyn beweisen. Er geht auf die Jungs zu, die schwer unter Alkohol stehen, spricht sie an. Sie schlagen zu. Immer und immer wieder, bis Sassbeck am Boden liegt.
Eine Zeugin wird später aussagen, dass im richtigen Moment ein Engel erschienen sei, um Sassbeck zu rächen. Ein Engel, strahlend weiß und lautlos. Auch Sassbeck berichtet von dem leuchtenden Engel mit dem gnadenlosen Blick. Mit erhobenen Armen und in jeder Hand eine Makarow.
Ingo Praise, 28 Jahre, glaubt nicht mehr an den Job seines Lebens. Als freier Journalist muss er froh über jeden Auftrag sein. Dann der Fall mit dem Todesengel. Selbstjustiz!! Vorbei die Zeit der Resignation. Ingo bekommt über die Reportage eine eigene Fernsehshow, ist jetzt Moderator. Doch das Gefühl, selbst über die Inhalte der Show bestimmen zu können, verliert sich mehr und mehr. Die Medien stürzen sich auf Sassbecks Rolle in der Zeit als Grenzer in der DDR. Irgendwann befindet Ingo Praise sich auf einer gefährlichen Gratwanderung. Wer ist eigentlich Opfer und wer Täter von Gewalttaten? Hat er noch die Kontrolle über seine Sendung?
Die Story bekommt dann immer mehr Tiefe. Überhaupt nicht klar ist, wer sich hinter dem Todesengel verbirgt. Und um vorab keine Spannung weg zu nehmen, soll das soweit genügen. „Todesengel“ ist eine sehr komplexe Story, die viele Fragen aufwirft. Allen voran die Frage, wie berechtigt Selbstjustiz ist. Es geht um Zivilcourage, Mut und Selbstvertrauen. Um Kampfsport außerdem und um die Macht der Medien.
Wieder ein ganz anderer Eschbach als alle vorherigen. Aber das macht das Lesen seiner Thriller auch so wertvoll. Es gibt kein Schema, keinen roten Faden. Und das Ende kommt dann garantiert total überraschend. Man kann diesen Roman übrigens auch wunderbar hören. Gelesen von Matthias Koeberlin, ist dieses Hörbuch ein ganz besonderer Genuss.